Allein schon die 24-bändige Brockhaus Enzyklopädie zeigt 40 unterschiedliche Definitionen für den Begriff „Freizeit“ auf. Passend finde ich: „Teil der menschlichen Lebenszeit, der nicht durch die Erfüllung beruflicher oder berufsähnlicher Verpflichtungen und physiologischer Grundbedürfnisse (Ernährung, Schlaf, Körperpflege) gebunden ist und dem Menschen zur freien Verfügung offensteht.“ Freizeit kann man folglich als eine Lebenszeit verstehen, in welcher persönliches Wohlbefinden und soziale Lebensqualität im Vordergrund stehen. Sich wohlfühlen, das tun und lassen können, was Spaß und Freude macht, und das Leben in eigener Regie gestalten. Als berufstätiger Ehemann, Vater von zwei Kindern, einem Zuhause mit Garten und ehrenamtlicher Tätigkeit bleibt wenig freie Zeit – nicht nur für die Familie, sondern auch für mich selbst.
Außerfamiliäre Freizeitaktivitäten, in welchen ich für mich Energie tanke, ergeben sich selten. So kann ich der Studie des deutschen statistischen Bundesamtes, laut welcher Familien mit Kindern unter sechs Jahren mit mehr als vier Stunden die wenigste Freizeit zur Verfügung haben, nur zustimmen. Ein wenig mehr freie Zeit wäre doch schön, oder wenn der Tag gar mehr als 24 Stunden hätte? Der tägliche Schlaf „raubt“ Zeit, ebenso am Morgen der Weg zur Kinderbetreuung und Arbeit. Die Zeit danach bleibt dann aber wirklich „frei“. Wirklich? Einkäufe, Hausarbeit und Erledigungen lassen auch diese Stunden im Flug vergehen.
So versuche ich, diese Zeiten bestmöglich gemeinsam mit meiner Familie zu verbringen. Freilich, das ist Jammern auf höchstem Niveau, zumal laut einer Studie der Soziologin Judith Treas der University of California Mütter vor 50 Jahren im Vergleich zu heute nur halb so viel Zeit mit ihren Kindern verbringen konnten. Die Zeit, welche Väter heutzutage täglich mit ihren Kindern verbringen, hat sich sogar fast vervierfacht. Ich kann mich also sehr glücklich schätzen, im 21. Jahrhundert Vater zu sein. Zudem gibt es heute, im Vergleich zu früher, unzählige viele Freizeitangebote und man wird zwangsläufig zum „Freizeitkonsument“, um eine erfüllte Lebenszeit zu haben. Familie und Freunde treffen, Sport betreiben und die Welt bereisen – das sind nur ein paar Freizeitaktivitäten, die ich bis zur Geburt meines ersten Kindes ausgiebig „konsumiert“ habe.
Mit dem Vatersein haben sich dann die Prioritäten geändert und die Zeit mit der eigenen Familie ist sehr kostbar geworden – auch wenn diese auf den ersten Blick weniger spektakulär zu sein scheint. Und dann war da noch die Corona-Pandemie: Dank der Ausgangsbeschränkungen, Kontaktverbote, geschlossenen Restaurants, Cafés sowie Sport- und Freizeiteinrichtungen verbrachte ich den Großteil meiner freien Zeit bei und mit meiner Familie – ein sehr „positiver“ Nebeneffekt. Freizeit – die individuell frei verfügbare Zeit Ich nütze sie heute anders als vor dem Vatersein und der Pandemie. Weniger außerhäusliche Aktivitäten haben mir gezeigt, dass auch Familienzeit Freizeit sein kann, in der ich Energie für mich tanken kann. Ich hoffe, dass diese Erfahrung mein Freizeitverhalten nachhaltig ändert, auch wenn wieder mehr Freizeitaktivitäten möglich sind.
Autor
Johannes Pircher-Sanou
Quelle: Sommerausgabe der Zeitung “FAMILIE” des Vorarlberger Familienverbands